Gedanken haben einen mächtigen Einfluss auf das Stressgeschehen

Wie häufig hören wir uns oder andere über Stress klagen? Viele nehmen dies unkritisch hin und haben sich längst daran gewöhnt, dass Stress zum Arbeitsalltag gehört. Doch was passiert im Körper unter Stress genau und wie können Arbeits- und Führungskräfte mit less-stress Denken entgegenwirken?

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Warum in Stressregulation investieren?

Der Job-Stress-Index der Gesundheitsförderung verdeutlicht, dass Stress bei der Arbeit für viele alltäglich geworden ist: Arbeitsstress betrifft schweizweit rund ein Drittel aller Arbeitskräfte und die Hälfte davon fühlt sich emotional erschöpft. Burnout ist dabei wohl der prominenteste Vertreter der Folgeerkrankungen von Stress und die Häufigkeit dieser Form extremer Erschöpfung hat im Laufe der letzten Jahre stetig zugenommen. Weit weniger bekannt ist, dass auch andere mentale und körperliche Erkrankungen eng mit chronischem Stress in Verbindung stehen: Herz-Kreislauf-Krankheiten, Schlafstörungen, Diabetes, Adipositas, Depressionen oder Angststörungen sind gleichermassen verbreitete Folgen von langanhaltender Stressbelastung. Stressbedingte Erkrankungen sind daher längst zu Volkskrankheiten aufgestiegen und belasten nicht nur Betroffene, sondern treffen durch Produktivitätsausfälle auch Unternehmen und die Volkswirtschaft empfindlich. Doch was ist genau schuld daran, dass so viele Menschen unter Stressbelastungen leiden?

Typische Stressoren im Arbeitskontext: Von Arbeit 4.0 bis zu den eigenen Gedanken

Tiefgreifenden strukturellen Veränderungen der Arbeitswelt, die zusammengefasst als Arbeit 4.0 oder unter dem Schlagwort VUKA-Welt beschrieben werden, befeuern Stressbelastungen im Arbeitsleben. Äusseren Stressoren zeigen sich beispielsweise in Form von überfordernder Arbeitsmenge, Arbeitsplatzunsicherheit, wenig Autonomie oder dem ‘Technostress’ der entsteht, wenn neue technische Geräte oder Systeme Überforderung auslösen. Dabei wird oft vergessen, dass so genannte innere Stressoren ebenfalls eine zentrale Rolle spielen. Individuelle Gedankenmuster oder Glaubenssätze können ebenso als Stressoren auftreten. Weit verbreitet sind etwa die Glaubenssätze, dass Zähne zusammenbeissen zu erfolgreichem Arbeiten dazugehört oder dass unser ‘Wert’ als Mensch von der erbrachten Leistung abhängt. Sich selber mit derartigen Gedanken unter Druck zu setzen kann dieselben verheerenden Folgen haben wie äussere Stressoren.

Was passiert im Körper, wenn Stressoren auftauchen?

Die Stressreaktion bezeichnet die körperliche oder psychische Reaktion auf innere oder äussere Stressoren, bei der Kräfte mobilisiert werden um Höchstleistungen zu ermöglichen. Evolutionsbiologisch ist diese Reaktion durchaus sinnvoll, da sie ursprünglich dazu diente, realen Gefahren zu entgehen: Sie half dem Neandertaler, schneller vor dem Säbelzahntiger zu flüchten. Die Stressreaktion versetzt den Körper innert kürzester Zeit in den Kampf-oder-Flucht-Modus und stellt kurzfristig Energie zur Verfügung, die für allfälliges Kämpfen oder Flüchten benötigt wird. Obwohl die Gefahrenlage sich deutlich verändert hat, ist die körperliche Stressreaktion dieselbe wie beim Steinzeitmenschen. Doch was geschieht dabei genau im Körper und weshalb kann das auf lange Sicht gefährlich werden?

Die Stressreaktion wird in erster Linie vom Gehirn ausgelöst und aktiviert hauptsächlich zwei Stressachsen: Einerseits eine schnelle, neuronale Stressreaktion über das autonome Nervensystem und andererseits eine langsamere, hormonelle Stressreaktion über den Hypothalamus. Vereinfacht gesagt bewirkt die Aktivierung beider Stressachsen, dass bestimmte Körperfunktionen hochgefahren werden, während andere Körperfunktionen gedrosselt werden, damit möglichst viel Energie zur Bewältigung der Gefahrensituation bereitgestellt werden kann. Beispielsweise werden Verdauungsvorgänge heruntergefahren, während Herzfrequenz und Blutdruck steigen und die Atmung schneller und flacher wird. Da die Wahrnehmung ganz auf die Gefahrensituation fokussiert ist, wird zudem das Denken unflexibler und weniger kreativ. Beruhigend ist, dass kurzfristige Stressphasen kein Gesundheitsrisiko darstellen, da sich die Überaktivität der Stressachsen in Erholungsphasen selbst reguliert. Gesundheitsgefährdend wird Stress dann, wenn die Erholungsphasen über längeren Zeitraum ausbleiben, sich Stressreaktionen als Dauerzustand etablieren und keine natürliche Regulation mehr stattfindet. Dauerhafte Ausschüttung von Stresshormonen und die Aktivierung des Sympathikus schädigen langfristig verschiedene Körperfunktionen und -systeme, was das Risiko eingangs erwähnter Erkrankungen erhöht. Es lohnt sich also, das eigene Stresserleben und damit verbundene stressverstärkende Gedanken kritisch im Blick zu halten.

Stressreduktion durch Gedankenhygiene: Wie geht das?

Unser Denken, Fühlen und Handeln werden in hohem Ausmass von unbewussten Wahrnehmungsmustern und Glaubenssätzen geprägt. Glaubenssätze zu unserer Person sind prägnante Überzeugungen über uns selbst, die im Laufe des Lebens von Bezugspersonen und persönlichen Erfahrungen geprägt wurden und die wir als wahr annehmen. Entscheidend in der Entstehung von Stress ist die Tatsache, dass gewisse Glaubenssätze als Stressverstärker wirken. Die unbewusste Überzeugung, dass Leistung uns wertvoll macht, wenig Vertrauen in unsere Fähigkeiten, das permanente Gefühl nicht zu genügen oder die Überzeugung, dass alles im Leben hart verdient sein müsse und self-care egoistisch sei, entstehen beispielsweise oft aus ungünstigen Glaubenssätzen. Solche stressverstärkenden Gedankenmuster sind tatsächlich in der Lage, körperliche Stressreaktionen zu triggern und dadurch dem Körper und der Psyche langfristig zu schaden.

Die gute Nachricht: Wir haben vieles in der Hand und können ungünstige Gedankenmuster durch förderliche, stressmindernde Gedanken ersetzen. 

Folgende drei Schritte können helfen, durch Gedankenhygiene den Alltagsstress zu reduzieren:

Schritt 1: Stressverstärkende Glaubenssätze erkennen

-       Beobachte während mehreren Tagen achtsam und wertefrei was du über dich selbst denkst. Da Glaubenssätze oft unbewusst sind, braucht es etwas Zeit, sie aufzuspüren. Du wirst in herausfordernden Situationen merken, welche beschränkenden Gedanken sich immer wieder aufdrängen. Führe Tagebuch über alle Denkmuster die sich zeigen und wähle 2-3 Überzeugungen aus, die du wirklich verändern möchtest.  

Schritt 2: Förderliche Glaubenssätze formulieren

-        Nehme die ausgewählten Glaubenssätze einzeln vor und finde zu jeder Überzeugung einen förderlichen Gedanken, mit dem die blockierende Überzeugung überschrieben werden soll. Neue Glaubenssätze sollen deinem inneren Wunsch entsprechen, wie du sein möchtest. Lasse dich bei der Wahl der neuen Glaubenssätze nicht durch weitere Glaubenssätze einschränken (z.B. das steht mir nicht zu, das geht doch nicht).

 Schritt 3: Transfer in den Alltag

-        Gedankenmuster zu verändern braucht naturgemäss Zeit, da sich neue neuronale Netzwerke im Gehirn etablieren müssen. Halte in herausfordernden Situationen immer wieder inne und lenke deine Gedanken bewusst in die Richtung, die du in Schritt 2 festgehalten hast. Verankere die neuen Glaubenssätze mit Geduld, Selbstmitgefühl und Optimismus, bis sich neue Reaktionsmuster zeigen.  

Wie Führungskräfte das less-stress Denken der Mitarbeitenden unterstützen können

Achtsamkeit ist hier das Zauberwort! Führungskräfte die ihren Mitarbeitenden achtsam begegnen merken schnell, wenn diese von stressverstärkenden Gedankenmustern getrieben sind und sich beispielsweise zu stark unter Druck setzen, nicht an sich glauben oder sich übermässig verausgaben. Führungsperson die bei Mitarbeitenden erkennen, dass potenziell stressverstärkende Gedankenmuster im Spiel sind, sollen dies offen ansprechen. Dies löst bei Mitarbeitenden das Gefühl aus wahrgenommen zu werden und kann einen wichtigen Prozess der Selbstreflexion anstossen. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Führungskraft ebenfalls kritisch mit eigenen Stressverstärkern auseinanderzusetzt und als gesundes Vorbild agiert. Weiter ist wichtig, dass die Unternehmenskultur die Rahmenbedingungen für gesundes Arbeiten bietet und generell eine zwischenmenschliche Vertrauensbasis besteht.

Dieser Artikel von Christine ist als Gastbeitrag im Februar 23 im HR-Today erschienen.